Gemeindeenteignung durch gesetzwidrige agrarbehördliche „Regulierungen“

Die „Regulierung“ des Gemeindegutes

Der Tiroler Agrarpolitik ging es vorrangig nicht darum, eine geordnete Bewirtschaftung der Gemeindegüter sicherzustellen; vielmehr war ihr Hauptaugenmerk darauf gerichtet, die Regelungsinstrumente des Flur­verfassungsrechtes zu missbrauchen, um parteipolitische Ziele der Österreichischen Volkspartei und standes­politische Ziele des Tiroler Bauernbunds zu erreichen: Es sollte das Vermögen der Gemeinden möglichst in die Hand weniger altein­gesessener Bauern gebracht werden, welche zugleich als verlässliche Wähler jener Partei galten, die diese Art der Regulierungen vorantrieb.

Bauernbundobmann Anton Steixner  bestätigte diese Ziele unverblümt in einem vom ORF in der Sendereihe „Tirol heute“ am 4.5.2005 ausgestrahlten Interview:

„Die Übertragung des Eigentums von den Gemeinden auf die Agrargemeinschaften war politisch gewollt. Landeshauptmann Wallnöfer war stolz darauf, dass das in Tirol gelungen ist.“

Anmerkung:

Dass die Eigentumsübertragungen grob verfassungswidrig waren, wurde vom Bauernbund­obmann, der damals immerhin als Landeshauptmann-Stellvertreter ausdrücklich auf die getreuliche Einhaltung von Gesetz und Verfassung vereidigt war, unterschlagen.

 

Wie spielten sich derartige „Regulierungsverfahren“ in concreto ab?

Um den Gemeinden Im Rahmen sogenannter „Regulierungsverfahren“ das Eigentum am Gemeindegut zu entziehen, wurde unter der Regie der instrumentalisierten und willfährigen Agrarbehörde meist wie folgt vorgegangen: 

  • Zuerst sprach ein sogenannter „Einforstungsberechtigter“ bei der Agrarbehörde – von dieser oftmals dazu aufgefordert – vor und beschwerte sich über die Gemeinde (etwa dass diese nicht genug für das Gemeindegut tue bzw. für die Interessen der Eingeforsteten sorge oder dass sie sich zu großzügig gegenüber jenen Gemeindebürgern, die nicht zum Kreis der alteingesessenen Bauern gehören, zeige).
  • Daraufhin wurden bei den „Eingeforsteten“ Unterschriften gesammelt, um die Voraussetzungen des § 47 TFLG 1952 zu erfüllen, wonach für einen Antrag auf Einleitung eines Regulierungsverfahrens notwendig war, dass sich ein Viertel der bekannten Teilgenossen“ für die Einleitung des Verfahrens erklärt. Ob denjenigen, die einen Antrag auf Einleitung eines Regulierungs­ver­fahrens beantragten, immer klar war, was im Verfahren eigentlich geschehen sollte, darf allerdings bezweifelt werden.
  • Sodann erfolgte seitens der Landesregierung die Bestellung eines sogenannten Gemeindevertreters. Dieser war nach damaliger Auffassung der Agrarbehörde allein befugt, die Gemeinde im Regulierungsverfahren zu vertreten. Dadurch konnte ein allfälliger Widerstand des Bürgermeisters und/oder der Gemeinderäte der in den Regulierungsverfahren durchwegs übervorteilten Gemeinden unterbunden, zumindest aber wesentlich geschwächt werden.
  • Zu Gemeindevertretern wurden nicht etwa – wie man vermuten möchte – Rechtsanwälte oder andere Rechtskundige, die über entsprechende Kenntnisse betreffend die Entwicklung des Gemeindegutes verfügt oder zumindest das AVG und das TFLG gekannt hätten, bestellt. Vielmehr wurde die Vertretung der Gemeindeinteressen Personen übertragen, denen für diese schwierige Aufgabe meist jegliche Qualifikation fehlte: so etwa in Neustift einem Tischlermeister, in Imst einem Postamtsdirektor, in Trins einem Waldaufseher.
  • Natürlich hatte die Agrarbehörde leichtes Spiel, mit solch fachlich unqualifizierten und meistens auch politisch unerfahrenen Gemeindevertretern Vergleiche abzuschließen, durch welche die Gemeinden ganz erhebliche Vermögensschäden erlitten. In den Regulierungsakten findet sich nirgends ein Beschluss des Gemeinderates, der die Übertragung des Eigentums bzw. den Verzicht auf den gesetzlichen Gemeindeanteil bewilligt hätte. Aber auch bei Fehlen derartiger Beschlüsse wäre es die Aufgabe und Pflicht der Landesregierung als Aufsichtsbehörde gewesen, die Durchführung solcher das Gemeindewohl auf das schwerste schädigender Vereinbarungen zu verhindern.
  • Jenen Bürgern, die nicht aktive Bauern waren, wurde die Berechtigung, an den Nutzungen des Gemeindegutes teilzunehmen, aberkannt.
  • Sodann erfolgte mehr oder weniger willkürlich die Festlegung der Anteilsrechte der einzelnen Eingeforsteten (und – sofern der Gemeinde überhaupt ein Anteilsrecht zugestanden wurde – auch jenes der Gemeinde).
  • Abschließend verkündete der Beamte der Agrarbehörde im Rahmen dieser Regulierungsverfahren einen Bescheid. Dieser enthielt
    • die dem Grundbuchsstand widerstreitende Feststellung, dass das betreffende Gemeindegut im Eigentum der (aus den ehemaligen Nutzungsberechtigten und mit kleinem Anteil meist auch der Gemeinde selbst) neu gebildeten Agrargemeinschaft stehe,

oder

    • den Ausspruch, dass das Eigentumsrecht an den betreffenden Gemeindegutsliegenschaften auf die neu gebildete Agrargemeinschaft übertragen werde.

 

Auf diese Weise haben Tirols Gemeinden in mehr als 400 Fällen ihr Eigentum am Gemeindegut bzw. am (früheren) Fraktionsgut verloren

Die Rechte eines Eigentümers gehen weit über jene eines Nutzungsberechtigten hinaus. So stehen dem Eigentümer (unter anderem) zu:

  • die nach Deckung des Haus- und Gutsbedarfes verbleibenden Holzerträge
  • der Jagdpachterlös
  • Schotterzinse
  • „Entschädigungszahlungen“ für Sportanlagen (z.B. Schipisten und Lifte, Golfplätze etc.)
  • Entgelte für die Verlegung oder für das Spannen von Leitungen sowie sonstige Bestandzinse und Verkaufserlöse


Auf jene Nutzungsberechtigten, die das ohnehin schon fragwürdige Vorrecht besessen hatten, ihren gesamten Bedarf an Holz und Weidemöglichkeiten exklusiv auf Kosten der übrigen Gemeindebürger decken zu können, sollte nun rechtsgrundlos das Eigentum am Gemeindegut übertragen werden. Selbst in der Zeit der nationalsozialistischen Herr­schaft nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich waren derartige Eigentums­übertragungen gesetzwidrig!

 

Schlussbemerkung und Fazit:

„Die Tiroler Volkspartei ist das Klavier, auf dem der Bauernbund spielt“, soll der oft als legendär apostrophierte Alt-Landeshauptmann Eduard Wallnöfer einmal gesagt haben. Dieser ebenso launige wie realpolitisch zutreffende Sager ist wohl durch folgendes trauriges Fazit zu ergänzen:

Durch eine jahrzehntelange, verfassungsrechtliche Grundrechte – insbesondere das Eigentumsrecht und den Gleichheitssatz -offenkundig verletzende Agrarpolitik des Landes Tirol sind die Tiroler Gemeinden zum Selbst­bedienungsladen für eine privilegierte Kaste willkürlich Bevorrechteter verkommen.

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Gemeindeland in Gemeindehand: überparteilicher und unabhängiger Verein – ZVR-Zahl 1505804346

Redaktion: Dipl.-Ing. Leonhard Steiger, Forstwirt & Dr. Werner Lux, Jurist


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Sehr geehrter Herr/Frau _______,

Der überparteiliche Verein „Gemeindeland in Gemeindehand“ hat die Homepage www.agrarpapers.tirol erstellt, auf der zeitlich geordnet der „größte Kriminalfall Tirols“ (Zitat Georg Willi, Bürgermeister von Innsbruck) dokumentiert ist. Es handelt sich um großflächige verfassungswidrige Eigentumsübertragungen von öffentlichem Eigentum (Gemeindeeigentum) hin zu Agrargemeinschaften. Die eingehenden Recherchen, die sich auf umfangreiche Grundbuchserhebungen des Tiroler Gemeindeverbandes und höchstgerichtliche Erkenntnisse stützen, zeigen grobe Fehlleistungen der Tiroler Agrarpolitik und der Tiroler Agrarbehörde auf und dokumentieren erstmals die erschreckende Dimension der damit einhergegangenen Gemeindeenteignungen.

Eine verfassungskonforme Reparatur dieses untragbaren und gleichheitswidrigen Zustandes ist jederzeit durch ein vom Tiroler Landtag zu beschließendes „Rückübertragungsgesetz“ möglich.

Diese Initiative muss unterstützt werden! Man wird wohl von verantwortungsbewussten Politikern erwarten können, dass sie den derzeit bestehenden verfassungswidrigen Zustand beenden.

Rechtstaatlichkeit und Gleichheit vor dem Gesetz geht und alle an! Helfen auch Sie im Rahmen Ihrer beruflichen Möglichkeiten, die in der Homepage www.agrarpapers.tirol formulierten Forderungen zu unterstützen, um diesen beschämenden verfassungswidrigen Zustand zu beenden.

Mit vorzüglicher Hochachtung,