Agrargemeinschaften

Agrargemeinschaften sind von der Agrarbehörde eingerichtete Körperschaften öffentlichen Rechts. Es handelt sich um den Zusammenschluss von Miteigentümern agrarischer Grundstücke (Weideflächen und Wälder) mit dem Ziel, diese Grundstücke gemeinsam nach dem in einer von der Agrarbehörde erlassenen Satzung festgelegten Regeln zu bewirtschaften.

Eine besondere Art der Agrargemeinschaften sind jene, die das sogenannte Gemeindegut nutzen (> Gemeindegutsagrargemeinschaften).

Bewirtschaftungskosten

Die Kosten der Bewirtschaftung des Gemeindegutes sind auf die Nutzer des Gemeindegutes entsprechend ihres Vorteils (Anteil am Gesamtnutzen) aufzuteilen (§ 72 TGO).

Die auf Grundlage der TFLG-Novelle 2014 durch Verordnung der Tiroler Landesregierung festgesetzten Beiträge der Nutzungsberechtigten zu den Bewirtschaftungskosten der Gemeindegutsagrargemeinschaften sind unrealistisch niedrig und decken die tatsächlichen Bewirtschaftungskosten bei Weitem nicht ab.

Flurverfassungsgesetze

Bis zum zweiten Weltkrieg war die Gemeinde meist Grundeigentümerin und hatte daher auch die Berechtigung zur Aufhebung von Nutzungsrechten, wenn die betreffende Fläche für höherwertigere Zwecke gebraucht wurde. Da durch allfällige Regulierungen nur die Gemeindeordnung ergänzt werden sollte, blieben die Rechte zur Nutzung des Gemeindeguts zumindest in vielen Fällen auch auf den Haus- und Gutsbedarf der Berechtigten beschränkt.

Durch die Flurverfassungsgesetze – welche an sich nicht als Instrument zur Privilegierung des Bauernstandes, sondern vor allem deshalb geschaffen worden waren, um eine Übernutzung der Gemeinschaftsgüter zu verhindern – ist es vor allem in der 2. Republik möglich geworden, gleichheitswidirig die Privilegien der bisherigen Nutzungsberechtigen weiter auszubauen.

Insbesondere wurde durch die Festschreibung der „alten Übung“ verhindert, dass etwa auch neu zugezogene Gemeindemitglieder an den Nutzungen des Gemeindegutes teilnehmen konnten. Die durch das Flurverfassungsgesetz geschaffenen Entscheidungsmöglichkeiten wurden dazu missbraucht, um eine rücksichtslose Standespolitik zugunsten einiger weniger alteingesessener Bauern zu betreiben.

Gemeindegut

Beim Gemeindegut handelt es sich um jenes seit jeher im Eigentum von Gemeinden stehende Liegenschaftsvermögen (Wiesen, Wälder und Almen), welches mit auf den Haus- und Gutsbedarf eingeschränkten landwirtschaftlichen Nutzungsrechten (Weide und Holznutzung) zugunsten einiger alteingesessener landwirtschaftlicher Betriebe belastet ist.

Die Bewirtschaftung des Gemeindeguts ist in der Tiroler Gemeindeordnung (TGO) geregelt. Der Überschuss der Nutzungen (> Überling) gehört der Gemeinde.

Typisches Gemeindegut:

Beim typischen (eigentlichen) Gemeindegut handelt es sich um Liegenschaften, die im (grundbücherlichen) Eigentum einer Gemeinde stehen und dazu bestimmt sind, einerseits zur Deckung der althergebrachten Holzbezugs- und Weidenutzungsrechte eines Teiles der Gemeindebürger und andererseits den Bedürfnissen der Gemeinde zu dienen (vgl. § 68 Abs. 3 Tiroler Gemeindeordnung 2001). Die Nutzungsrechte werden von > Agrargemeinschaften ausgeübt.

Atypisches Gemeindegut:

Von „atypischem Gemeindegut“ spricht man, wenn eine Agrargemeinschaft grundbücherliche („formelle“) Eigentümerin der von Nutzungsrechten belasteten Grundstücke, die nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nach wie vor im „materiellen Eigentum“ der Gemeinde stehen, ist. Die Nutzungsrechte werden von sogenannten > Gemeindegutsagrargemeinschaften ausgeübt.

Gemeindegutsagrargemeinschaften

Gemeindegutsagrargemeinschaften (GGAG) sind von der Agrarbehörde eingerichtete Körperschaften öffentlichen Rechts, die zur Bewirtschaftung des > atypischen Gemeindeguts eingerichtet worden sind. Die Bewirtschaftung erfolgt durch die von der Agrarbehörde in einer Satzung festgelegten Regeln. Der Substanzwert gehört der Gemeinde.

Gemeindegutsagrargemeinschaften sind jene Agrargemeinschaften, die „aus Gemeindegut hervorgegangen sind“. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass im Zeitpunkt der Gründung dieser Agrargemeinschaften („Regulierung“) die Gemeinde oder ein Gemeindeteil (Fraktion etc.) im Grundbuch als Eigentümer aufgeschienen ist. Das ist – historisch gesehen- ein wesentliches Merkmal einer GGAG.

Gemeindevermögen

Als Gemeindevermögen wird jenes (Liegenschafts-)vermögen der Gemeinde bezeichnet, das nicht von Nutzungsrechten belastet ist.

Haus- und Gutsbedarf

Die > Nutzungsrechte am Gemeindegut sind auf den Haus- und Gutsbedarf beschränkt (§ 70 Abs 2 TGO). 

Das bedeutet für das Weiderecht, dass nur jenes Vieh zur Weide aufgetrieben werden darf, welches mit betriebseigenem Futter in der Gemeinde überwintert wurde.

Das Holzbezugsrecht auf Gemeindegut ist mit jener Menge und Qualität beschränkt, die zur Erhaltung der landwirtschaftlichen Gebäude, Zäune, Städel,  etc notwendig ist. 

Der Brennholzbezug ist auf den in Urkunden festgelegten Umfang beschränkt und darf nicht substituiert (etwa durch ein Holzäquivalent bei später eingebauter Ölheizung) werden.

Erzeugnisse aus dem Gemeindegut dürfen nicht veräußert werden.

Hauptteilung

1. Die Hauptteilung von bäuerlichem Miteigentum ist ein Vorgang, bei dem mit Bescheid der Agrarbehörde ein gemeinschaftlich genutztes landwirtschaftliches Gemeinschaftseigentum (mit oft unterschiedlichen Anteilsrechten) in Einzelteile und damit in Einzeleigentum zerlegt wird.

2. § 42 Abs 2 TFLG 1996 definiert die Hauptteilung auf Gemeindegut als „Auseinandersetzung zwischen der Gemeinde (Ortschaft oder Gemeindeteil) und einer Agrargemeinschaft oder zwischen mehreren Agrargemeinschaften“. Die Hauptteilung führt zum Ausscheiden der Gemeinde aus der Agrargemeinschaft und stets zur Aufteilung des Gemeindeguts in Grundflächen, die einerseits im nicht durch Nutzungsrechte belasteten Alleineigentum der Gemeinde und andererseits im Alleineigentum der fortbestehenden Agrargemeinschaft stehen.

Anmerkung: Die in  §§ 42 bis 48 TFLG normierten (zwingenden) Regelungen wurden in Tirol bei als Hauptteilung auf Gemeindegut bezeichneten Vorgängen so gut wie nie eingehalten.

Agrarbehörde und Instanzenzug

> Für die Durchführung der Teilungs – und Regulierungsverfahren wurde mit dem TRLG 1909 die Agrarbehörde als beim Amt der Tiroler Landesregierung angesiedelte, seit 1920 selbstständige Landesbehörde installiert.

Als Agrarbehörde II. Instanz fungierte der Landesagrarsenat, der aus acht Mitgliedern, darunter drei Mitglieder aus den Richterstand, bestand.

Als Agrarbehörde III. Instanz war der beim Bundesministerium für Land – und Forstwirtschaft eingerichtete Oberste Agrarsenat (OAS) zuständig.

Die Entscheidungen der Agrarbehörde unterlagen bis 1974 nicht der Prüfung des Verwaltungsgerichtshofes, bei vermuteter Verfassungswidrigkeit konnte jedoch der Verfassungsgerichtshof angerufen werden.

> Insbesondere Kritiker der verfassungswidrigen Eigentumsübertragungen verorten bei der Agrarbehörde die Zuordnung einer „unverständlichen Konzentration von Machtbefugnissen“ (vgl Siegl, Die Entstehung der Agrargemeinschaften in Tirol unter besonderer Berücksichtigung der Gemeindegutsagrargemeinschaften [2009], S. 232/233) und werfen der Agrarbehörde und – bis zu seiner Auflösung – insbesondere dem Landesagrarsenat eine von bäuerlicher Klientelpolitik geleitete Gesetzesanwendung vor

> Mit der mit 01.01.2014 erfolgten Einrichtung der Landesverwaltungsgerichtsbarkeit wechselte der Instanzenzug zum Landesverwaltungsgericht des Landes Tirol. Gegen dessen Entscheidungen kann der Verwaltungsgerichtshof, bei vermuteter Verfassungswidrigkeit der Verfassungsgerichtshof angerufen werden.

Nutzungsrechte

Die Nutzungsrechte am Gemeindegut sind historisch begründet, stehen ausschließlich aktiven landwirtschaftlichen Betriebe zu (§ 54 Abs 6 TFLG 1996) und sind auf den > Haus- und Gutsbedarf beschränkt (§ 70 Abs 2 TGO).

Ein Regulierungsplan kann diese gesetzlich vorgesehene Beschränkung von Nutzungsrechten auf den Bezug von Naturalleistungen zur Deckung des Haus- und Gutsbedarfes nicht beseitigen.

Regulierung

Im Rahmen sogenannter „Regulierungsverfahren“ wurden Grundstücke, die seit jeher im Eigentum der Gemeinden gestanden waren, mittels rechtswidriger Bescheide der Tiroler Agrarbehörde ohne jegliche Gegenleistung in das Eigentum von zu diesem Zweck eigens neu gegründeten Agrargemeinschaften übertragen oder das Eigentumsrecht der Agrargemeinschaften an diesen Grundstücken festgestellt. Den solcherart enteigneten Gemeinden verblieb nur mehr ein geringfügiges, manchmal aber auch gar kein Anteilsrecht an der Agrargemeinschaft, und es wurden ihnen dadurch die Einkünfte aus dem Gemeindegut entzogen.

Substanzwert

Der Substanzwert gehört der Gemeinde. Er umfasst im Wesentlichen das matertielle Eigentum am > Gemeindegut, zu dem auch der > Überling gehört.

Im Erkenntnis VfSlg. 18.446/2008 wurde ausgesprochen, dass der über die Summe der Nutzungsrechte hinausgehende Substanzwert des Gemeindegutes der Gemeinde zusteht und das Substanzrecht der Gemeinde als Anteil an der Agrargemeinschaft zur Geltung gebracht werden können muss.

Teilwaldrechte

Als Teilwaldrecht bezeichnet man das Recht, das auf einer bestimmten, im Eigentum der Gemeinde stehenden Fläche wachsende Holz ausschließlich zu nutzen.

Im 20. Jahrhundert haben viele Teilwaldberechtigten versucht, auch das Eigentum an jenen Grundflächen zu erhalten, an denen sie nur holzbezugsberechtigt waren.

Überling

Der über den Umfang des Haus- und Gutsbedarfes der Nutzungsberechtigten erwirtschaftete Überschuss aus der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung wird als „Überling“ bezeichnet. Er zählt zum Substanzwert von atypischen Gemeindegutsgründstücken im Sinne des § 33 Abs 2 lit c Z 2 TFLG 1996.