Der Substanzverwalter - ein Fehlkonstrukt als kostspieliges Verwaltungsmonster

  • Mit dem Ziel der Sicherstellung der Rechte der Gemeinde als materielle Eigentümerin des Gemeinde­guts wurde mit der TFLG-Nov 2014 die Funktion des Substanzverwalters einge­führt.
  • Dieser ist als Organ der Agrargemeinschaft konzipiert, wird jedoch vom Gemeinderat bestellt wird und hat als Vertreter der Gemeinde im Ausschuss der Gemeindeguts­agrar­gemeinschaften zu fungieren.
  • Der Gemeinde wurde jedoch mit der Einführung dieser Funktion das ihr als (materielle) Eigentümerin zukommende direkte Zugriffsrecht auf das Gemeindegut weitgehend genommen.

 

1. Die Aufgaben und Pflichten des Substanzverwalters (§§ 36a – 36k TFLG 1996 idFd TFLG-Nov. 2014, LGBl. 70/2014)

  • Der Substanzverwalter hat jene Angelegenheiten zu besorgen, die ausschließlich den Substanzwert betreffen, wie insbesondere die Veräußerung, die Verpachtung, die dauernde Belastung von Grundstücken des atypischen Gemeindegutes, die Begründung einer Dienstbarkeit oder eines Baurechtes, die Schotter- und Steinbruchnutzung oder die Ausübung des Jagdrechtes hierauf.
    Anmerkung
    :
    Da ein großer Teil der Bewirtschaftungskosten von der Gemeinde zu tragen ist, betreffen sämtliche Entscheidungen, die die Bewirtschaftung des Gemeindeguts betreffen, auch den Substanzwert und fallen damit in den Verantwortungsbereich des Substanzverwalters!
  • Dem Substanzverwalter obliegen alle Verfügungen über Substanzerlöse und den Überling. Die Besorgung dieser Angelegenheiten umfasst auch die Wahrnehmung der dem Substanzverwalter im Rahmen der Finanzgebarung zugewiesenen Aufgaben. Der Substanzverwalter hat den Obmann regelmäßig über seine Verfügungen und Angelegenheiten, die ausschließlich den Substanzwert betreffen, zu informieren.
  • Der Substanzverwalter hat auf der Grundlage des Voranschlages die laufende Gebarung der Einnahmen und Ausgaben der Agrargemeinschaft mit Ausnahme des Abrechnungskontos der Nutzungsberechtigten zu führen. Er hat für jedes abgelaufene Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) die aus einer Vermögens- und einer Erfolgsübersicht bestehende Jahresrechnung und für jedes folgende Wirtschaftsjahr den aus einer Erfolgsübersicht bestehenden Voranschlag zu erstellen.
  • Der Substanzverwalter vertritt die Agrargemeinschaft allein nach außen und ist zu allen hiefür erforderlichen Vertretungshandlungen befugt, dies in Angelegenheiten,
    • die ausschließlich den Substanzwert betreffen, sowie
    • in Angelegenheiten, die sowohl den Substanzwert als auch die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte betreffen, diesfalls jedoch nur im Rahmen entsprechender Beschlüsse des Ausschusses bzw. der Vollversammlung.
    • Bei Gefahr in Verzug kann der Substanzverwalter alleine entscheiden und die erforderlichen Maßnahmen setzen. Die Entscheidung ist ohne unnötigen Aufschub der Vollversammlung bzw. dem Ausschuss zur nachträglichen Beschlussfassung vorzulegen.
    • Der Substanzverwalter vertritt die substanzberechtigte Gemeinde in der Vollversammlung und im Ausschuss, zu deren Sitzungen er beizuziehen ist.

Die (unübersichtliche) Vielzahl und der Inhalt dieser dem Substanzverwalter zugeordneten Agenden zeigt, dass er bei pflichtgemäßer Ausübung seiner Aufgaben in einem nicht zu über­sehenden, kaum bewältigbaren Spannungsfeld und Interessenskonflikt steht

Hinzu tritt, dass die Substanzverwalter fast immer eine „große Nähe“ zur Agrar­gemeinschaft aufweisen; oft sind sie selbst auch deren Mitglieder. Aus diesem Interessenkonflikt folgt zwangsläufig der Vorwurf einer Befangenheit des Substanzverwalters; jedenfalls ist der aufrechte Bestand des Anscheins seiner Befangenheit in aller Regel kaum zu entkräften.

Auch stellt die Summe der Agrarmitglieder eine nicht zu unterschätzende Wählergruppe in der Gemeinde dar; dieser Umstand ist von Interesse, da der Substanzverwalter qua Gesetz Mitglied des Gemeinderates sein muss.

Schließlich kann der  mit dieser Regelung verbundene Kostenfaktor nicht übersehen werden, ist doch der Substanzverwalter, sofern diese Funktion nicht vom Bürgermeister ausgeübt wird, von der Gemeinde mit einer nicht unbeträchtlichen Zulage zu entlohnen.

Die aufgezeigten Umstände machen deutlich, dass das Ziel, mit der neu eingeführten Funk­tion des Substanzverwalters die Durchsetzung der Ansprüche der substanz­berechtigten Gemeinde und der Stär­kung ihrer Rechtsposition gegenüber der Agrargemeinschaft sicher­zustellen, klar verfehlt wurde.

 

2. Die Bedarfsprüfung – eine von den Substanzverwaltern oft vernachlässigte Prüfpflicht

Gemäß gesicherter Rechtsprechung des Verfassungs­gerichtshofs steht den Nutzungs­berechtigten gemäß § 70 Abs 2 erster Satz TGO lediglich der konkrete Haus- und Gutsbedarf zu. Diese gesetzliche Beschränkung des Nutzungsumfangs führt zur Notwendigkeit, den jährlichen Bedarf der agrargemein­schaftlich organisierten Nutzungsberechtigten (z.B. an Nutzholz oder Brennholz) zu kontrollieren und zu bestätigen. Diese Bedarfsprüfung stellt eine sogenannte „gemischte Angelegenheit“ im Sinne des § 36c Abs 4 TFLG 1996 dar, die vom Obmann der Agrar­gemeinschaft gemeinsam mit dem Substanzverwalter vorzu­neh­men ist (siehe dazu Anweisung des Amtes der Tir.LReg/Abteilung Agrargemeinschaften zur Bedarfsprüfung).

  • Derartige gesetzlich verpflichtend vorgesehene und sachlich höchst notwendige Bedarfs­prüfungen werden jedoch nur in wenigen Tiroler Gemeinden durchgeführt. In der weit­aus überwiegenden Zahl der „Agrargemeinschaften auf Gemeindegut“ – also sowohl von „typischen“ Agrargemeinschaften als auch von Gemeindeguts­agrar­gemeinschaften (also „atypischen“ Agrargemeinschaften) – werden vielmehr die Holzbezüge nach den Vor­gaben des von der Agrarbehörde für die Agrargemeinschaften verfassungswidrig erlas­senen (alten) Regulierungsplans „gewohnheitsmäßig“ vergeben.
  • Derartige ungeprüfte Naturalzuteilungen schädigen die Gemeinde, weil sie auch jenen Nutzungs­berechtigten, die keinen konkreten Bedarf haben oder die – wie oftmals gegeben – überhaupt keine Landwirtschaft mehr betreiben, zugute kommen.
    • Die in der TGO seit vielen Jahren klar festgelegte Regel über die Nutzung des Gemeindegutes war der Tiroler Landesregierung bereits in den 30-er Jahren des vorigen Jahrhunderts sehr wohl bekannt (vgl Bescheid der TirLReg vom 25.11.1932, VI 3115/1). Wenn die Landwirtschaft nicht mehr betrieben wird, sind die Nutzungen erloschen und leben nicht mehr auf. Im oban­geführ­ten Bescheid aus dem Jahre 1932 wurde diese Selbstverständlichkeit von der Landesregierung auf nicht einmal vier Seiten ausgeführt.
    • Es hat somit einmal eine Zeit gegeben, in der die Tiroler Landesregierung (und die zustän­digen Abteilungen im Hause) sehr genau gewusst haben, dass das Gemeindegut ein Teil des Gemeindevermögens ist und sich die Holznutzun­gen auf den Haus- und Gutsbedarf der eingeforsteten Betriebe zu beschränken haben.
    • Mit dem in den 1950er Jahren von Agrarlandesrat Wallnöfer betriebenen Übergang der Zustän­digkeit der Aufsicht über das Gemeindegut von der Gemeindeabteilung auf die Agrar­behörde ging dieses Wissen offenbar – ob rechtsirrtümlich oder bewusst sei dahin­gestellt – verloren.
  • Oft erfolgt – wiederum, „nach alter Übung“ am Gesetz vorbei – die Verteilung des Erlöses aus dem Verkauf von Nutzungserträgen an Agrargemeinschafts­mitglieder. Diese Vorgangsweise ist jedoch jedenfalls unzulässig: Denn nach ständiger Rechtsprechung bestehen die Nutzungs­rechte von Mit­gliedern einer Agrargemeinschaft an Gemeindeguts­grund­stücken ausschließlich im Bezug von Naturalleistungen bis zur Grenze der Deckung des Haus- und Gutsbedarfs. Nutzungen, die keinen konkreten Sachbedarf befriedigen sollen, sondern lediglich einen finanziellen Vorteil enthalten, gehören daher nicht zum Haus- und Guts­bedarf (siehe dazu LVwG-2014/37/1480-9 und LVwG-2014/37/3406-8).
    Da somit nicht der Gemeinde zustehende „Ertragsüberschüsse“ rechtlich nicht möglich sind, besteht kein Zweifel, dass es sich etwa beim Holzverkauf um eine Angelegen­heit han­delt, die den Substanzwert der agrargemeinschaftlichen Grund­stücke betrifft. Daher stellt schon allein der Umstands des Verkaufs implizit klar, dass der Haus- und Guts­bedarf offenbar bereits gedeckt ist (in diesem Sinn auch schon die Verordnung der k. k. Statthalterei für Tirol und Vorarlberg vom 17. Juli 1855).

 

Durch die Unterlassung der gebotenen Bedarfsprüfungen werden tirolweit gesetz­­widrig Gemeindegelder im jährlichen Ausmaß von mehreren hundert­tausend Euro an nicht berechtigte Agrarmitglieder verteilt. Die Agrarbehörde als Aufsichts­behörde schaut taten­los zu (bzw. weg)!

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Gemeindeland in Gemeindehand: überparteilicher und unabhängiger Verein – ZVR-Zahl 1505804346

Redaktion: Dipl.-Ing. Leonhard Steiger, Forstwirt & Dr. Werner Lux, Jurist


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Sehr geehrter Herr/Frau _______,

Der überparteiliche Verein „Gemeindeland in Gemeindehand“ hat die Homepage www.agrarpapers.tirol erstellt, auf der zeitlich geordnet der „größte Kriminalfall Tirols“ (Zitat Georg Willi, Bürgermeister von Innsbruck) dokumentiert ist. Es handelt sich um großflächige verfassungswidrige Eigentumsübertragungen von öffentlichem Eigentum (Gemeindeeigentum) hin zu Agrargemeinschaften. Die eingehenden Recherchen, die sich auf umfangreiche Grundbuchserhebungen des Tiroler Gemeindeverbandes und höchstgerichtliche Erkenntnisse stützen, zeigen grobe Fehlleistungen der Tiroler Agrarpolitik und der Tiroler Agrarbehörde auf und dokumentieren erstmals die erschreckende Dimension der damit einhergegangenen Gemeindeenteignungen.

Eine verfassungskonforme Reparatur dieses untragbaren und gleichheitswidrigen Zustandes ist jederzeit durch ein vom Tiroler Landtag zu beschließendes „Rückübertragungsgesetz“ möglich.

Diese Initiative muss unterstützt werden! Man wird wohl von verantwortungsbewussten Politikern erwarten können, dass sie den derzeit bestehenden verfassungswidrigen Zustand beenden.

Rechtstaatlichkeit und Gleichheit vor dem Gesetz geht und alle an! Helfen auch Sie im Rahmen Ihrer beruflichen Möglichkeiten, die in der Homepage www.agrarpapers.tirol formulierten Forderungen zu unterstützen, um diesen beschämenden verfassungswidrigen Zustand zu beenden.

Mit vorzüglicher Hochachtung,