Tatort Mieders

 Der Verfahrensgang zum richtungsweisenden VfGH-Erkentnnis vom 11.07.2008 („Mieders I“)

  • Im Auftrag der durch ihren Bürgermeister Ernst Leitgeb vertretenen Gemeinde Mieders hatte deren Rechtsvertreter RA Dr. Andreas Brugger in einem bei der Agrarbehörde des Amtes der Tiroler Landesregierung eingebrachten Antrag ausgeführt, dass der Gemeinde der über die Holz- und Weidenutzung hinausgehende Substanznutzen des Gemeindegutes zustehe.
  • Der Agrarbehördenleiter Dr. Josef Guggenberger gab diesem Antrag mit Bescheid vom 09.11.2006 mit ausführlicher Begründung über die bereits aus VfSlg 9336/1982 folgenden Konsequenzen für „reguliertes“ Gemeindegut statt, verpflichtete die Agrargemeinschaft Mieders zur Zahlung von € 230.000.– (als Ersatz für der Gemeinde vorenthaltene Substanzerträge) und änderte den Regulierungsplan der Agrargemeinschaft Mieders, womit die Gemeinde Mieders am 9. Januar 1963 faktisch ent­eignet worden war, von Amts wegen durch Einfügung verschiedener, den Zugriff der ­Gemeinde auf das Gemeindegut erleichternde Bestimmungen ab.
  • Der Landesagrarsenat des Amtes der Tiroler Landesregierung wies in seiner Entscheidung über die von der Agrargemeinschaft Mieders erhobenen Berufung die Anträge der Gemeinde Mieders zur Gänze ab bzw. zurück.
  • Der Verfassungsgerichts­hof folgte in Stattgebung der von RA Dr. Brugger verfassten Beschwerde weitgehend der Argumentation Hofrat Dr. Guggenbergers im erstinstanzlichen Bescheid: Das Gemeindegut der Gemeinde Mieders sei niemals erloschen und stehe heute atypischerweise im gemeinsamen Eigentum von Gemeinde und Agrargemeinschaft. Die seinerzeitigen Übertragungen seien offenkundig verfassungs­widrig erfolgt.

 

Die bemerkenswerte und beispielgebende Gesetzestreue und Zivilcourage eines Behördenleiters

Die Journalistin Alexandra Keller vermerkte in ihrer Publikation „Schwarzbuch Agrargemein­schaften“ zutreffend, dass das den Bescheid der Tiroler Agrarbehörde vom 9.11.2006 bestätigende Verdikt des Verfassungsgerichts­hofs, wonach die Übertragung des Eigentums an die Agrar­gemeinschaft Mieders „offenkun­dig verfassungswidrig“ war, letztlich jenem Beamten zu verdanken sei, „der sich nicht von der Bauernmacht verbiegen ließ. Der ehemalige Leiter der Agrarbehörde, Sepp Guggenberger, war es gewesen, der mit seinem juristischen Wissen und seinem menschlichen Gewissen, die Grundlage für das – nach 1982 – einschneidendste Erkenntnis des VfGH geliefert hatte“.

  • Dr. Guggenberger, den Verfasser dieses rechtskonformen und richtungsweisenden Bescheids, kosteten Gesetzestreue, Rechtschaffenheit und persönliche Zivilcourage den Arbeitsplatz. Schon im Spätwinter des Jahres 2006 hatte Anton Steixner, der damalige Agrar­landesrat und Landes­haupt­mann-Stellvertreter sowie Obmann des mächtigen Tiroler Bauern­­­bunds,  durchgesetzt, dass Hofrat Dr. Guggenbergers auslaufende Vorstandbestellung mit einer Befristung von lediglich einem Jahr (statt der üblichen Bestellungszeit von fünf Jahren) verlängert wurde, dies mit der begleitenden Bemerkung, eine weitere Prolon­gie­rung seiner Bestellung als Behördenleiter setze voraus, dass er künftig „herawärts schaue“. Was mit dem umgangssprachlichen Ausdruck „herwärtsschauen“ gemeint ist, weiß jeder Tiroler. Damit machte der Agrarlandesrat unmissver­ständ­lich deutlich, dass das berufliche Fortkommen Guggenbergers von dessen künftigem beruflichen Wohlverhalten im Sinne der Erlassung von der Agrarlobby genehmen Entscheidungen abhängt. Die dadurch zweifellos verschärfte Drucksituation hinderte Hofrat Dr. Guggenberger jedoch nicht, in Entsprechung des von ihm geleisteten Amtseids seiner rechtlichen Überzeugung gemäß und insbesondere unter Beach­tung der verfassungsrechtlich geschützten Grundrechte den von der Agrarseite missbilligten Bescheid vom 09.11.2016 zu erlassen. Er sah sich danach eminentem Druck von Seiten seiner Dienstbehörde ausge­setzt und quittierte schließlich Ende des Jahres 2006 gesund­heitlich angeschlagen den Dienst.
  • Auch in den Folgejahren wurde Hofrat Dr. Guggenberger von Proponenten der Agrarlobby massiv und unqualifiziert öffent­lich angegriffen (Näheres dazu in Alexandra Keller, Schwarzbuch Tirol [Studienverlag] S 74 – 85; siehe auch Jennewein, Kommentar zu VfSlg 18.446/2008).
 
 
 
 
 
 
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Gemeindeland in Gemeindehand: überparteilicher und unabhängiger Verein – ZVR-Zahl 1505804346

Redaktion: Dipl.-Ing. Leonhard Steiger, Forstwirt & Dr. Werner Lux, Jurist


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Sehr geehrter Herr/Frau _______,

Der überparteiliche Verein „Gemeindeland in Gemeindehand“ hat die Homepage www.agrarpapers.tirol erstellt, auf der zeitlich geordnet der „größte Kriminalfall Tirols“ (Zitat Georg Willi, Bürgermeister von Innsbruck) dokumentiert ist. Es handelt sich um großflächige verfassungswidrige Eigentumsübertragungen von öffentlichem Eigentum (Gemeindeeigentum) hin zu Agrargemeinschaften. Die eingehenden Recherchen, die sich auf umfangreiche Grundbuchserhebungen des Tiroler Gemeindeverbandes und höchstgerichtliche Erkenntnisse stützen, zeigen grobe Fehlleistungen der Tiroler Agrarpolitik und der Tiroler Agrarbehörde auf und dokumentieren erstmals die erschreckende Dimension der damit einhergegangenen Gemeindeenteignungen.

Eine verfassungskonforme Reparatur dieses untragbaren und gleichheitswidrigen Zustandes ist jederzeit durch ein vom Tiroler Landtag zu beschließendes „Rückübertragungsgesetz“ möglich.

Diese Initiative muss unterstützt werden! Man wird wohl von verantwortungsbewussten Politikern erwarten können, dass sie den derzeit bestehenden verfassungswidrigen Zustand beenden.

Rechtstaatlichkeit und Gleichheit vor dem Gesetz geht und alle an! Helfen auch Sie im Rahmen Ihrer beruflichen Möglichkeiten, die in der Homepage www.agrarpapers.tirol formulierten Forderungen zu unterstützen, um diesen beschämenden verfassungswidrigen Zustand zu beenden.

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