Mit dem Grundsatzerkenntnis VfSlg 9336/1982 – die bis dahin mit Abstand wichtigste Entscheidung für das Gemeindegut – stellte der Verfassungsgerichtshof klar, dass die Eigentumsübertragungen des Gemeindegutes auf Agrargemeinschaften wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes grob verfassungswidrig waren.

Im Einzelnen führte das Höchstgericht aus:

  • Das Gemeindegut im Sinne der Gemeindeordnungen ist nicht nur formell der Gemeinde zugeordnet, sondern auch in materieller Hinsicht Eigentum der Gemeinde und nur insofern beschränkt, als es mit bestimmten öffentlich-rechtlichen Nutzungs¬rechten einiger oder aller Gemeindeglieder belastet ist, sodass die Substanz und also auch der Substanzwert und ein allfälliger Überschuss der Nutzungen der Gemeinde als solcher zugeordnet bleiben.
  • Daher handelt es sich beim Gemeindegut um wahres Eigentum der politischen Gemeinde.
  • Daher stehen den Nutzungsberechtigten lediglich althergebrachte Nutzungsrechte (Holz und Weide im Umfang des Haus- und Gutsbedarfs) zu. Die Agrargemeinschaft hat aber keinen Anspruch auf (gänzliches oder teilweises) Eigentum am Gemeindegut sowie auf Übertragung des Eigentumsrechts.
  • Jedenfalls unzulässig ist es, die bloßen Nutzungsrechte am Gemeindegut in Anteile an der Substanz zu verwandeln. Vielmehr steht die (über die Summe der Nutzungs¬rechte hinausgehende) Substanz des Gemeindegutes der Gemeinde zu.
  • Die der Äußerung der Tir. Landesregierung zugrundeliegende Ansicht, die Gemeinde fungiere (auch) in diesen Fällen gleichsam nur als Vertreter oder Treuhänder der Nutzungsberechtigten und diese – die Mitglieder der alten Realgemeinde oder die von ihnen gebildete Gemeinschaft – seien die wahren (materiellen) Eigentümer des Gemeindegutes, findet in der tatsächlichen Entwicklung des Gemeinderechts keine Stütze. …
    Die gegenteilige Auffassung würde nicht nur unterstellen, dass die Gemeinde unter Umständen durch Generationen bloße (unentgeltliche) Verwalterin fremden Vermögens gewesen ist, sondern auch der ständigen Rechtsprechung des VwGH widersprechen, der stets die Maßgeblichkeit der Gemeindeorgane gegenüber der Selbstverwaltung der Nutzungsberechtigten hervorgehoben und die Verfügungsmacht der Gemeinde betont hat (Slg. Budw. 6762, 7302, 7608, 8118) und noch in einem Erk. aus 1954 die Eingrenzung des Rechts am Gemeindegut auf den Kreis der Nutzungsberechtigten als den Versuch einer juristischen Konstruktion bezeichnet, die im Gesetz keinerlei Deckung findet (VwSlg. 3560 A/1954).

 

Dieses Erkenntnis des VfGH stellte daher auch für diejenigen Beamten, die sich in einem Irrtum befunden haben, folgendes klar:  

  • Alle bis dahin getroffenen Entscheidungen, wonach Gemeindegut oder Fraktionsgut im Eigentum einer – hauptsächlich aus Nutzungsberechtigten gebildeten – Agrargemein­schaft stehe, waren unrichtig.
  • Die Regulierung darf nicht dazu führen, dass eine Gemeinde ihr aus ihrem (ehemaligen) Eigentum am Gemeindegut resultierendes Recht auf die Substanz des Gemeindegutes an die Nutzungsberechtigten verliert.

 

Von Seiten der Tiroler Landesregierung sowie der Tiroler Agrarbehörde wurde jedoch dieses höchstgerichtliche Erkennntnis bewusst unterdrückt; die darin enthaltenen rechtlichen Vorgaben wurden sehenden Auges ignoriert (demaskierend dazu:).

Offenbar nicht dem Recht, sondern allein dem Vorteil und Schutz ihrer Klientel verpflichtet, setzten die Tiroler Landespolitik sowie ihr willfähriges „Werkzeug“ Tiroler Agrarbehörde ihr verfassungswidriges Handeln weiter fort:

  • Unverfroren erfolgte auch nach dem VfGH-Erkenntnis 1982 die Gründung weiterer 81 Agrargemeinschaften , auf welche – im Hinblick auf die ihr bekannt gewordene Entscheidung des VfGH zu VfSlg 9336/1982 offenkundig verfassungswidrig – das Eigentum am Gemeindegut übertragen wurde.
  • Damit flossen den Nutzungsberechtigten weiterhin unberechtigt die Einkünfte aus Grundverkäufen, Schotterabbau sowie Schipisten und anderen Unternehmungen zu. Ausdrücklich gestand die Agrarbehörde und der dieser übergeordnete Landesagrarsenat den Agrargemeinschaften völlig rechtswidrig auch die Einkünfte aus der Jagd und dem Überling zu. Der dadurch den betroffenen Gemeinden erwachsene Schaden ging in die Millionen Euro.
  • Eine strafrechtliche Überprüfung
    • des – wie der VfGH im Jahr 2008 feststellen sollte – offenkundig verfassungswidrigen hoheitlichen Handelns der Agrarbeamten und des jeweiligen ressortzuständigen Agrarlandesrats
    • sowie der Rolle jener Bürgermeister, welche die erkennbar zu hohen finanziellen Belastungen und nachhaltigen Schäden ihrer Gemeinden führenden Verwaltungsbescheide ohne qualifizierte Rechtsberatung und ohne Ergreifung geeigneter Rechtsmittel in Rechtskraft erwachsen ließen,

durch die Staatsanwaltschaft fand entweder nicht statt oder führte zu keinen Verfolgungshandlungen.

Es bedurfte des „Aufschreis“ der Gemeinde Mieders gegen die politische und behördliche Fortführung der Enteignung der Gemeinde zugunsten einer Minderheit, der zu dem im folgenden Kapitel („2008 Das VfGH-Erkenntnis „Mieders I“ – ein politisches Erdbeben“) dargestellten grundlegenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11.06.2008, VfSlg 18446, führte.

Nächstes Kapitel:

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Sehr geehrter Herr/Frau _______,

Der überparteiliche Verein „Gemeindeland in Gemeindehand“ hat die Homepage www.agrarpapers.tirol erstellt, auf der zeitlich geordnet der „größte Kriminalfall Tirols“ (Zitat Georg Willi, Bürgermeister von Innsbruck) dokumentiert ist. Es handelt sich um großflächige verfassungswidrige Eigentumsübertragungen von öffentlichem Eigentum (Gemeindeeigentum) hin zu Agrargemeinschaften. Die eingehenden Recherchen, die sich auf umfangreiche Grundbuchserhebungen des Tiroler Gemeindeverbandes und höchstgerichtliche Erkenntnisse stützen, zeigen grobe Fehlleistungen der Tiroler Agrarpolitik und der Tiroler Agrarbehörde auf und dokumentieren erstmals die erschreckende Dimension der damit einhergegangenen Gemeindeenteignungen.

Eine verfassungskonforme Reparatur dieses untragbaren und gleichheitswidrigen Zustandes ist jederzeit durch ein vom Tiroler Landtag zu beschließendes „Rückübertragungsgesetz“ möglich.

Diese Initiative muss unterstützt werden! Man wird wohl von verantwortungsbewussten Politikern erwarten können, dass sie den derzeit bestehenden verfassungswidrigen Zustand beenden.

Rechtstaatlichkeit und Gleichheit vor dem Gesetz geht und alle an! Helfen auch Sie im Rahmen Ihrer beruflichen Möglichkeiten, die in der Homepage www.agrarpapers.tirol formulierten Forderungen zu unterstützen, um diesen beschämenden verfassungswidrigen Zustand zu beenden.

Mit vorzüglicher Hochachtung,