Was einem nicht gehört, hat man zurückzugeben.​

In den letzten 100 Jahren wurden große Teile des Liegenschafts­vermögens Tiroler Gemeinden zu Lasten der Mehrheit der Gemeindebürger kontinuierlich entschädigungs­los an Privatpersonen und – vor allem – an Agrar­gemeinschaften verschoben …

Es sollte das Vermögen der Gemeinden möglichst in die Hand weniger alteingesessener Bauern gebracht werden…

Das „historische Grundbuch“:

Vorausgeschickt wird, dass im Zuge der ab dem Jahr 1898 auch im Gebiet des heutigen Bundeslands Tirol durchgeführten Anlegung des modernen Grundbuchs – einem international beachteten Pionier- und Vorzeigeprojekt der Verwaltung der österreichischen Monarchie – die lückenlose Registrierung der Grundstücke und die Erfassung ihrer Eigentümer erfolgt ist.

        Die gebetsmühlenartig vom Tiroler Bauernbund und Teilen der Tiroler Landespolitik vorgetragene Behauptung, das historische Grundbuch sei unrichtig und Eigentümer von Grund und Boden seien seit jeher die Nutzungsberechtigten, wurde von den Höchstgerichten mehrfach verworfen.

        Den oben angesprochenen – offenbar verfassungswidrigen – Eigentumsverschiebungen lagen unterschiedliche Aktionsmuster zugrunde, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:

1. Änderung der Tiroler Gemeindeordnung (TGO) mit Gesetz vom 31.06.1910 

Über Betreiben des Tiroler Bauernbundes wurde mit der angesprochenen Novelle die Tiroler Gemeindeordnung (TGO) in einem Punkt ganz wesentlich abgewichen, indem die Gemeinden – gleichheits- und damit verfassungswidrig – ermächtigt wurden, das ihnen gehörige, mit Nutzungsrechten belastete Liegenschaftsvermögen an die Nutzungsberechtigten durch bloßen – lediglich vom Landesausschuss zu bestätigenden – Gemeinderatsbeschluss in deren Eigentum zu übertragen.
        Auf diese Weise wurden in den Jahren 1910 bis 1930 viele bis dahin im Eigentum der Gemeinden stehenden Liegenschaften (meist sogenannte Teilwälder) – wohl endgültig – in das Privateigentum von (im Vergleich mit der Gesamtanzahl der Gemeindebürger) wenigen Nutzungsberechtigten verschoben. Das Flächenausmaß dieser entschädigungslosen Enteignungen, die vornehmlich Gemeinden des Tiroler Unterlandes betroffen haben, wird von unabhängigen Fachleuten auf weit über 1.000 km² (= 1.000.000.000 m²) geschätzt.

2. NS-Zeit Osttirol 1938 bis 1945

Im Oktober 1938 wurde der Bezirk Osttirol dem „Gau Kärnten“ bzw. dem Bundesland Kärnten angegliedert. Über Initiative von Dr. Wolfram Haller, dem damaligen Leiter der Agrarbezirksbehörde Lienz, einigten sich alle in Frage kommenden Behörden und Dienststellen dieses Bezirkes am 7. Juni 1939 anlässlich einer Sitzung bei der Kreisbauernschaft Lienz darauf, dass alle ehemaligen Fraktionsgüter und alle Gemeindegüter des Bezirkes ins Eigentum der Nutzungsberechtigten übertragen werden sollten.

Im Jahr 1943 erfolgte unter Hallers Führung in einer „Blitzaktion“ innerhalb eines Zeitraums von 14 Tagen die handstreichartige entschädigungslose Enteignung aller Osttiroler Gemeinden, indem bis dahin in deren Eigentum gestandene Liegenschaftsflächen im Gesamtausmaß von ca. 250 km² (= 250.000.000 m²) an zu diesem Zweck neu gegründete Agrargemeinschaften übertragen wurden.

3. Agrarbehördliche Regulierungen ab 1945

Dem „Modell Osttirol“ folgend trieb nach 1945 der spätere Tiroler Landeshauptmann ÖkR Eduard Wallnöfer als damaliger Obmann des Bauernbundes und für Agrarsachen zuständiger Landesrat die systematische Enteignung der Gemeinden auch in Nordtirol voran. Es sollte das Vermögen der Gemeinden möglichst in die Hand weniger alteingesessener Bauern gebracht werden, welche zugleich als verlässliche Wähler jener Partei galten, die diese Art der Regulierungen vorantrieb.

        Durch die personell stark aufgestockte Agrarbehörde wurden in sogenannten „Regulierungsverfahren“ Agrargemeinschaften neu eingerichtet und auf diese ohne jegliche gesetzliche Grundlage und damit willkürlich das Eigentumsrecht am Gemeindegrund mit Bescheid entschädigungslos übertragen. Damit waren die vormals bloß beschränkt Nutzungsberechtigten mit einem Schlag zu Alleineigentümern des Gemeindeguts geworden.
Dass den handelnden Personen die Verfassungs- und damit Gesetzwidrigkeit dieser Eigentumsübertragungen bekannt gewesen sein musste, zeigen die späteren Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs, in denen die Vorgangsweise als „offensichtlich verfassungswidrig beanstandet wurden, unmissverständlich auf.

        Diese Entwicklung ist nicht etwa zur Zeit der Monarchie passiert, in der die Staatsordnung noch auf dem Prinzip der Ungleichheit beruhte, sondern in der Demokratie, unter dem dominanten Einfluss der in Tirol bis 1989 mit absoluter Mehrheit und jetzt immer noch regierenden politischen Partei dieses Landes.

als schon längst jene Verfassung galt, die immer noch die Grundlage unseres Staates bildet (oder zumindest bilden sollte).

Noch im Jahr 2005 bestätigte der damalige Bauernbundobmann und Landeshauptmann-Stellvertreter Anton Steixner in einem vom ORF in der Sendereihe „Tirol heute“ ausgestrahlten Interview: „Die Übertragung des Eigentums von den Gemeinden auf die Agrargemeinschaften war politisch gewollt. Landeshauptmann Wallnöfer war stolz darauf, dass das in Tirol gelungen ist.“

4. Die Feststellungsverfahren der Agrarbehörde ab dem Jahr 2008

Nach dem für die Agrarseite desaströsen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 11.07.2008, VfSlg 18.446, war der Agrarbehörde die weitere Übertragung von Gemeindegrundstücken auf Agrargemeinschaften endgültig versperrt. Daher versuchte der Bauernbund mit Hilfe der Agrarbehörde sowie unter dem Schutzschild der Tiroler Landesregierung „zu retten, was noch zu retten ist“.
        In agrarbehördlichen Schnellverfahren wurden von der Agrarbehörde zum Gemeindegut gehörigen Liegenschaften entgegen der klaren Rechts- und Faktenlage die Gemeindegutseigenschaft aberkannt, indem mit Bescheid schlicht festgestellt wurde, dass „es sich bei den dortigen Agrargemeinschaften um keine Gemeindegutsgrundstücke“ handelt. Mit dieser Vorgangsweise , die nur als Taschenspielertrick angesehen werden kann, sollte für alle Zeiten festgeschrieben werden, dass die Agrargemeinschaften nunmehr rechtmäßige Eigentümer der tatsächlich dem Gemeindevermögen zugehörigen Grundstücken seien und darauf seitens der Gemeinde kein rechtlicher Zugriff mehr möglich sein sollte.
        Diese Feststellungsbescheide stellen den finalen Angriff auf das Gemeindegut dar. Dass sie von namhaften Verfassungs- und Verwaltungsjuristen nicht nur als überflüssig, sondern sogar als rechtswidrig angesehen werden, sei an dieser Stelle erwähnt.

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